Stilistische Darstellung des unterirdischen Aufbaus des Einstein-Teleskops zum Nachweis von Gravitationswellen. Angedeutet sind hier die drei Messarme der Interferometer.
Wasserzeichen —

Mikrospiegel-Innovation ebnet den Weg für Gravitationswellendetektor der nächsten Generation

Außergewöhnlich empfindliche Detektorkomponenten aus Jena
Stilistische Darstellung des unterirdischen Aufbaus des Einstein-Teleskops zum Nachweis von Gravitationswellen. Angedeutet sind hier die drei Messarme der Interferometer.
Illustration: Nikhef / Marco Kraan
  • Light
  • Forschung

Meldung vom: | Verfasser/in: Siefke, Walther, Winkler

Warum ein neuer Gravitationswellendetektor notwendig ist

Die Messung von Gravitationswellen hat nicht nur Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie bestätigt, sondern uns auch Einblicke in kosmische Ereignisse wie die Verschmelzung von Schwarzen Löchern und Neutronensternen ermöglicht. Gravitationswellen ermöglichen so neben einem völlig neuen Zugang zur Astronomie, fundamentalen Erkenntnisgewinn zu den Ursprüngen unseres Universums. Um diese Phänomene umfassend untersuchen zu können, sind außergewöhnlich empfindliche Detektoren erforderlich, die auch die schwächsten Signale erfassen können.
Das geplante Einstein-Teleskop (ET) ist ein Gravitationswellendetektor der dritten Generation, der eine deutliche Steigerung der Leistungsfähigkeit heutiger Observatorien ermöglichen soll. Der aktuelle Plan sieht vor, mehrere Interferometer mit Armlängen von zehn Kilometern in einer Tiefe von 250 bis 300 Metern zu errichten. Die Einbettung in den Boden soll das Umgebungsrauschen, unter anderem durch Schwingungsdämpfung und stabile Fundamentbedingungen, erheblich reduzieren. Dadurch kann der Detektor feinste Variationen der Raumzeit auflösen. Gleichzeitig stellen die hohen Anforderungen an die Technologie neue Herausforderungen für die Optimierung der Detektorkomponenten dar.

  • Interferometer als Gravitationswellendetektor

    Gravitationswellen sind Verzerrungen der Raumzeit, die durch extreme kosmische Ereignisse wie die Verschmelzung von Schwarzen Löchern entstehen. Sie breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit im Universum aus und bewirken dabei minimale Streckungen und Stauchungen des Raums. Eine typische Gravitationswelle führt zu einer relativen Längenänderung von etwa 10-21. Zum Vergleich: Der Durchmesser der Erde könnte durch eine solche Welle um ungefähr 10 Femtometer (fm) schwanken – das entspricht der Größenordnung eines Atomkerns!

    Die Messung der winzigen Längenänderungen erfolgt mittels Interferometer, indem ein Laserstrahl durch einen Strahlteiler in zwei Arme aufteilt wird. Die Laserstrahlen werden dann an Spiegeln reflektiert und im Strahlteiler wieder zusammengeführt. Normalerweise interferieren die beiden Laserstrahlen so, dass sie sich gegenseitig auslöschen – ähnlich wie der Wellenberg und das Wellental einer Wasserwelle sich gegenseitig neutralisieren. Wenn jedoch eine Gravitationswelle eine geringe Längenänderung in einem der Arme bewirkt, ändert sich das Interferenzmuster der zurückkehrenden Strahlen. Diese Verschiebung wird dann genutzt, um die Veränderung in der Armlänge präzise zu berechnen.

Schematische Darstellung des aufgespannten Mikrospiegelsystems: Der Strahlungsdruck des unter dem Spiegel angeordneten Lasers wirkt der Schwerkraft entgegen

Grafik: Trad Nery, M. 2022

Herausforderung: Rauschen – Die Rolle des Strahlungsdrucks

Mit steigender Empfindlichkeit der Messgeräte wachsen auch die Herausforderungen an die Rauschunterdrückung. Das Interferometer ist mit verschiedenen Störquellen konfrontiert, die als sogenanntes Rauschen das schwer erfassbare Messsignal überlagern. Insbesondere im Niederfrequenzbereich müssen verschiedene Faktoren wie seismische Vibrationen und atmosphärische Veränderungen berücksichtigt werden. Diese Störungen können die Stabilität der Interferometerspiegel beeinträchtigen und es erschweren, echte Gravitationswellensignale von Umwelteinflüssen zu unterscheiden.

Ein weiteres Problem ist die Instabilität des vom Laser erzeugten Photonenflusses. Schon kleinste Änderungen der Laserleistung, also Änderungen in der Helligkeit des Lasers, bewirken eine unterschiedlich starke Kraftwirkung auf die Spiegel (siehe Abb. 1) – den sogenannten Strahlungsdruck. Das führt letztendlich zu einem niederfrequenten Rauschen (Strahlungsdruckrauschen) im Ausgangssignal der Messung. Die dabei wirkenden Kräfte sind winzig – in der Größenordnung von Nanonewton, vergleichbar mit dem Gewicht eines Staubkorns – und müssen dennoch mit höchster Präzision erfasst werden. Dies erfordert einen Sensor, der extrem leicht und damit extrem klein ist.

Innovation Mikrospiegel

Am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover wurde ein neuartiges Konzept auf Basis eines Mikro-Oszillators entwickelt um die Laserleistung präzise zu kontrollieren. Kernstück dieses Konzepts ist ein Opto-mechanisches Elementen welches von der Microstructure Technology Gruppe am Institut für Angewandte Physik in Jena entwickelt und realisiert wird. Die Basis bildet ein ultraleichter Mikrospiegel (D = 320 μm), der durch eine extrem flexible Aufhängung äußerst empfindlich auf Änderungen des Strahlungsdrucks reagiert. Der hochreflektierende Mikrospiegel ist horizontal an ultradünnen Federarmen aufgehängt und wird durch den Strahlungsdruck des Lasers gegen die Schwerkraft gehalten. Seine extrem hohe Reflektivität von über 99 % schützt den Spiegel vor Beschädigungen durch den Laser selbst. Ändert sich nun der Photonenfluss und damit der Strahlungsdruck gegen den Spiegel, so ändert sich auch die Position des Spiegels. Diese Verschiebung wird mittels Interferometrie gemessen und als Rückkopplungssignal zur Steuerung der Laserleistung genutzt. Durch diese aktive Rückkopplungsschleife kann die Laserleistung extrem genau stabilisiert werden, was eine Rauschquelle des Gravitationswellendetektors erheblich reduziert. Die Geometrie und Reflektivität der empfindlichen Mikrospiegel stellen jedoch hohe Anforderungen an den Herstellungsprozess.

Die Nahaufnahme zeigt einen Ausschnitt eines SOI-Wafers mit Durchgangslöchern, in denen Mikrospiegel aufgehängt sind. Jeder Mikrospiegel hat einen Durchmesser von 320 μm und wird von spiralförmigen Siliziumfedern gehalten, die speziell für eine leichte Konstruktion und die erforderliche geringe Steifigkeit entwickelt wurden.

Foto: M.Walther

Höchste Präzision in der Fertigung: Durchbruch beim Dampf-HF-Ätzen von Mikrospiegeln

Den Forschern und Forscherinnen der Microstructure Technology Gruppe ist es nun zusammen mit der Firma memsstarExterner Link erstmals gelungen, diese filigranen Mikrospiegel auf einer Silizium-auf-Isolator (SOI)-Wafer-Plattform herzustellen. Zunächst wurden die nötigen nanooptischen Strukturen für die Resonanzspiegel sowie die flexiblen Aufhängestrukturen in einer dünnen kristallinen Siliziumschicht erzeugt und der Handling-Wafer lokal durch ein chemisch-physikalisches Trockenätzverfahren entfernt. Anschließend wurde bei memsstarExterner Link die freigelegte Siliziumdioxid-Opferschicht mithilfe eines speziellen Flusssäure (HF)-Gasphasenätzverfahrens entfernt, wodurch die an den Spiralfedern aufgehängten Mikrospiegel freigesetzt werden konnten. Dieser innovative Ansatz ermöglicht die Herstellung extrem feiner Strukturen, die sich über relativ zum Mikrospiegel große Flächen (ca. 1 cm2) spannen (siehe Abb. 2/3). Jeder Mikrospiegel ist an drei spiralförmigen Fäden über einem 10 mm großen Ausschnitt aufgehängt. Diese Fäden aus kristallinem Silizium sind lediglich 2 × 20 μm dick und damit etwa 200-mal feiner als ein menschliches Haar.

Die hohe Empfindlichkeit dieser Fäden gegenüber kleinsten Luftbewegungen und Erschütterungen macht die Herstellung und Montage dieser ultraleichten optischen Komponenten zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Trotz dieser Herausforderungen hat sich das HF-Gasphasenätzen als vielversprechend erwiesen und zeigt das Potenzial, noch komplexere Mikrospiegeldesigns zu realisieren. Geplant ist die Herstellung solcher Spiegel an noch feineren Federn – diesmal bis zu 2 × 0.2 µm stark.

Video: IAP (Bewegungen des Spiegels als Reaktion auf äußere Kräfte in Echtzeit.)

Fazit

Die durch Jenaer Forscher:Innen der Microstructure Technology Gruppe des IAP entwickelte Herstellung solcher Mikrospiegel ist eine entscheidende Innovation zur Kontrolle und Stabilisierung der Laserleistung. Die entwickelte Verfahrenstechnik ist ein wichtiger Meilenstein für solche höchstempfindlichen Messtechniken wie sie für die Detektion Gravitationswellen erforderlich ist und zugleich ein Türöffner zu einer neuen Ära hochpräziser industrieller Messverfahren.  

Projektname: “GT-4-ET” Glass Technologies for the Einstein Telescope

Fördermittel: Diese Forschungsarbeit wird unterstützt durch das GT-4-ET Projekt, eine Zusammenarbeit zwischen der Max Planck GesellschaftExterner Link und der Fraunhofer-GesellschaftExterner Link.

Dauer: 2022-2025