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Meldung vom: | Verfasser/in: Ira Winkler
Herzlichen Glückwunsch zur Berufung auf die Professur „Experimentelle Quanteninformation“, Prof. Dr. Steinlechner. Für jene, die Sie noch nicht kennen, könnten Sie uns bitte einen kurzen Überblick über Ihre akademische Laufbahn geben?
„Vielen Dank! Ich habe 2009 mein Studium der Technischen Physik in Wien absolviert und dort auch meine Diplomarbeit am "Institut für Quantenoptik & Quanteninformation (IQOQI)" unter der Leitung von Anton Zeilinger geschrieben. Anschließend promovierte ich in der Optoelektronik-Gruppe am Institute of Photonic Science ICFO in Barcelona unter der Betreuung von Valerio Pruneri. Mein Forschungsthema war die Entwicklung von Quantenlichtquellen für Weltraumanwendungen. Nach meiner Promotion im Jahr 2015 bin ich als Postdoktorand wieder an die Akademie der Wissenschaften in Wien zurückgekehrt um mich der Arbeitsgruppe von Rupert Ursin anzuschließen und an einer Reihe von Experimenten zur Quantenkommunikation sowie fundamentalen Aspekten der Quantennichtlokalität zu arbeiten. Im August 2018 wurde ich über das Fraunhofer Attract Programm mit meinem Forschungsprogramm "Photonische Technologien für die Quantenkommunikation" zum Nachwuchsgruppenleiter am Fraunhofer IOF ernannt. Dank der einzigartigen Rahmenbedingungen in Jena und dem rasanten Wachstum in der anwendungsnahen Quantenphotonik in Deutschland ist die Gruppe innerhalb von nur 5 Jahren auf 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsen.“
Was waren die Highlights Ihres bisherigen wissenschaftlichen Werdegangs?
„In meinem wissenschaftlichen Werdegang hatte ich das Privileg, mit führenden Experimentalphysikern, Theoretikern und Technologen zusammenzuarbeiten, die Wissenschaft, Bildung und Technologie auf sehr unterschiedliche Weise verstehen. Das hat mich nicht nur inhaltlich weitergebracht, sondern insbesondere meine Herangehensweise an die Forschung und letztlich auch meinen Führungsstil geprägt.
Ein Highlight war sicherlich die Möglichkeit am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, erster Hand zu erleben wie Anton Zeilinger, der im Jahr 2022 den Nobelpreis für Experimente mit verschränkten Photonen erhalten hat, in seinem Umfeld zu Innovation inspiriert. Während meiner Diplomarbeit konnte ich dort erste Erfahrungen mit verschränkten Photonen sammeln und später als Postdoktorand an grundlegenden Experimenten zur Nichtlokalität von verschränkten Teilchen mitwirken. Ich erinnere mich auch gerne an die besonderen Standorte, an denen wir Experimente durchgeführt haben, wie zum Beispiel auf den Kanarischen Inseln für die Quantenkommunikation über eine Distanz von 144 km zwischen La Palma und Teneriffa - Zu dieser Zeit war es die längste überbrückte Distanz für solche Experimente - oder Experimente zur Quantennichtlokalität in den Kellerräumen der Wiener Hofburg. Diese Erfahrungen hatten einen besonderen Reiz, vor allem weil wir mit einem Test der "Bellschen Ungleichung" einen weiteren Beitrag zur experimentellen Widerlegung des einsteinschen Konzept des lokalen Realismus und der Gültigkeit der Vorhersagen der Quantenmechanik leisten konnten.
Ein weiteres Highlight war meine Zeit am ICFO in Barcelona, wo eine Vielzahl von Kontakten knüpfen konnte und von meinem Doktorvater viel über die Umsetzung komplexer FuE mit limitierten Ressourcen lernte. In dieser Zeit habe ich mich intensiv mit den Herausforderungen der Quantenkommunikation und der Weltraumtauglichkeit photonischer Quantentechnologie befasst. Diese Arbeiten haben später meinen Weg nach Jena geführt, wo ich in beratender Funktion bei der Entwicklung einer satellitentauglichen Quelle am Fraunhofer IOF mitwirkte.
Ein Schlüsselereignis für mich war sicherlich auch die Ernennung zum Gruppenleiter am Fraunhofer IOF – und der Start der QuNET Initiative unmittelbar nach meiner Ankunft in Jena. Das Ziel dieser Initiative ist es, die physikalisch-technischen Grundlagen für ein quantensicheres Behördennetz in Deutschland zu schaffen. Mein Team konnte dabei in einer Reihe von Demonstrator-Experimenten die Praktikabilität der Quantenverschränkung für die Quantenkommunikation in Faser- und Freistrahlverbindungen aufzeigen.“
Was genau umfasst Ihre Arbeit in der Experimentellen Quanteninformation?
„In meiner Arbeit geht es darum, Quantenzustände des Lichts zu erzeugen, zu manipulieren und für verschiedene Anwendungen nutzbar zu machen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Realisierung von Quantennetzwerken. Wir untersuchen die Verschränkung von Photonen über große Entfernungen hinweg und entwickeln darauf basierende Protokolle für die sicheren Kommunikation. Zudem beschäftigen wir uns mit der Entwicklung von Technologien für die Messtechnik und Quantencomputer.“
Wie sehen Sie die Bedeutung Ihrer Forschung für die Zukunft der Informations- und Kommunikationstechnologie?
„Die Quantenphysik bietet ein enormes Potenzial für die Informations- und Kommunikationstechnologie. Durch den Einsatz von Quantennetzwerken können wir Daten mit absoluter Sicherheit übertragen und neue Möglichkeiten in der verteilten Informationsverarbeitung schaffen. Zudem haben Quantencomputer das Potenzial, komplexe Berechnungen deutlich schneller durchzuführen als herkömmliche Computer.“
Worauf freuen Sie sich am meisten bei Ihrer Rolle als Professor?
„Ich freue mich dabei darauf, aktiv gestaltend mitzuwirken und aktiv an der Lösung theoretischer und technischer Probleme zu unterstützen. Ich sehe mich inzwischen in erster Linie meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch ihre Forschungsprojekte führen, neue Experimente konzipieren und mein Wissen weitergeben. Am liebsten würde ich dabei auch im Labor oder am Rechner mittüfteln.
Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, Freiräume für die Ideenfindung zu schaffen, um Interessen nachzugehen und gleichzeitig die Eigenverantwortung zu fördern und zu stärken. Dabei sollten auch die eigenen Kolleginnen und Kollegen einbezogen werden, sodass jeder voneinander profitiert und dies einer Sache oder Technologie zum Fortschritt verhilft: Experimental Quantum Information = Team Sport – nur in einem guten Team kommt alles ins Fließen.
Meine persönliche Überzeugung ist auch, dass dieses Interesse besonders nützlich und weitreichend ist, wenn man auch über die Promotion hinaus an die Entwicklung von Technologien denkt und die neuen Erkenntnisse für alle zugänglich macht. “
Wie sehen Sie die Bedeutung der Experimentellen
für zukünftige Technologien und Anwendungen? Und welche potenziellen Auswirkungen könnten sie auf die Gesellschaft haben?
„Ich denke, dass Quanteninformation in vielerlei Hinsicht einen besonderen Stellenwert in der Gesellschaft hat. Zum einen ermöglicht sie mittelfristig praktikable Anwendungen, von denen ich hoffe, dass sie zu state-of-the-art Lösungen werden. Dann wird diese faszinierende und zunächst fremde Technologie für viele zum Alltag gehören. Wenn Begriffe wie Quantenverschränkung und Quantensuperposition in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen, dann werden auch neue Sichtweisen und ganz andere Möglichkeiten der Anwendung erschlossen werden. Wir kratzen derzeit nur an der Oberfläche dessen, was möglich ist.
Allerdings sollte man an solche Zukunftsaussichten mit einer realistischen Zeitschiene und Erwartungen herangehen. Die Quantentechnolgie stellt neben vielen konzeptionellen Herausforderungen auch immense Anforderungen an die zugrundeliegende technologische Basis- um neue Erkenntnisse zu gewinnen und revolutionäre Experimente durchzuführen bedarf es zahlreicher hochentwickelter Komponenten. Und hier zeigt sich auch sehr schön, wie Theorie und Experiment miteinander verschränkt sind: erst wenn ich die entsprechenden Versuchsaufbauten und neuartigen experimentellen Geräte dazu bauen kann, kann ich die Theorie überprüfen – dazu brauche ich aber wiederum die Theorie.
Damit grundlegende Fortschritte auch in Quantenapplikationen mit gesellschaftlichem Mehrwert überführt werden können, ist neben der Brücke zwischen Theorie und Experiment auch eine enge Kooperation unterschiedlicher Disziplinen – z.B. Informatik, Materialwissenschaften, Ingenieurwesen – erforderlich. Ich denke, dass der Standort Jena, aufgrund der historisch erprobten Synergie zwischen Grundlagenforschung und Anwendung einen besonders fruchtbaren Boden bietet. In diesem Spannungsfeld zwischen Grundlagenforschung und Anwendung hoffe ich einen Beitrag zu leisten.
Welchen Ratschlag oder Empfehlung haben Sie für Studierende, die sich für die Experimentelle Quanteninformation als Forschungsbereich interessieren?
„Die Quantentechnik ist ein sehr interdisziplinäres Forschungsfeld. Daher kann ich nur den Rat weitergeben: Lerne so viel wie möglich über Themen, die du brauchst aber im ersten Schritt nicht mehr als notwendig. Für Experiment und Forschung sollte man sich so breit genug aufstellen. Dabei sollte man seinen Interessen bedingungslos folgen und erst später den Anwendungsgedanken ins Spiel bringen. Die Möglichkeiten für Anwendungen kann man schwer schon am Anfang der Forschung abschätzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Experimente heutzutage derart komplex sind, dass sie nicht von einer einzigen Person bewältigt werden können –offene Kommunikation und respektvoller Umgang als Basis für gutes Teamwork sind daher ebenso essenziell.“
Gibt es aktuelle Trends oder Entwicklungen in der Quanteninformation, die Sie als besonders vielversprechend erachten?
„Ein vielversprechender Trend in der Quanteninformation ist die Erforschung von Quantennetzwerken. Hierbei geht es um die Verschränkung von Quantenzuständen über große Entfernungen hinweg und die Entwicklung von Protokollen zur sicheren Übertragung von quantenmechanischer Information. Es gibt noch viele grundlegende Fragen in diesem Bereich, und ich bin gespannt auf weitere Erkenntnisse und Überraschungen, die uns in Zukunft erwarten.“
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für Ihre Arbeit hier bei uns am Institut für Angewandte Physik!