Symbolbild Optisches Systemdesign
Wasserzeichen —

Prof. Vladan Blahnik – bleibt alles beim Neuen?

Professor für “Optical System Design and Simulation”
Symbolbild Optisches Systemdesign
Collage: Ira Winkler (Jens Meyer)
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Meldung vom: | Verfasser/in: Interview I.Winkler

Geboren in 1971 in Wolfsburg, studierte Prof. Dr. Blahnik Physik an der TU Braunschweig und promovierte zum Thema „Teilkohärente objekthöhenabhängige Abbildungstheorie“ (Betreuung, Prof. Dr. G. Gerlich, TU Braunschweig und Prof. Dr. A. W. Lohmann, Universität Erlangen) mit einem Forschungsaufenthalt am Optical Sciences Center in Tucson, Arizona. Von 2001 bis 2022 arbeitete er in verschiedenen Positionen und Bereichen bei der Carl Zeiss AG am Standort Oberkochen – zunächst als Lead System Engineer in der ZEISS SMT AG verantwortlich für Projektions- und Beleuchtungssysteme für die 193nm Lithographie, danach als Leiter des Optikdesigns für Foto-, Film- und Industrieobjektive, und arbeitete in verschiedenen internationalen Entwicklungsprojekten mit ZEISS Partnern wie Nokia oder Sony an Digital Imaging Projekten sowie an neuen Geschäftsfeldentwicklungen wie Post Processing für Cinematographie, 3D Bilderfassung, Smartphone Imaging, Optiken für Machine Vision oder Flug- und Unterwasserdrohnen  in der Business Unit ZEISS Consumer Products. Seit 2018 arbeitete er in der zentralen Forschung von ZEISS an hochpräzisen Interferometern für EUV-Freiformspiegel, industriellen 3D-Messsystemen und verschiedenen Anwendungen an der Schnittstelle zwischen Optik und Photonik wie LIDAR-Systemen für das autonome Fahren oder neuen Konzepten der optischen Kohärenztomographie (OCT). Neben zukünftigen optischen Systemen beschäftigte er sich auch mit technisch-historischen Entwicklungen bei ZEISS auf, zum Beispiel den Objektiven für die NASA Mondlandungen und vertrat ZEISS häufig als Optikexperte in der Öffentlichkeitsarbeit. Im Jahr 2022 wechselte er als leitender Optikentwickler zur Hensoldt AG und entwickelte Optikdesigns von komplexen Messsystemen für die Strahlzielung in EUV-Scannern, Weltraumteleskope sowie verschiedene Zoomobjektive für Multispektral- und Wärmebildsysteme.

Ende 2023 bekam er den Ruf nach Jena und tritt nun die Nachfolge von Prof. Dr. Herbert Gross als Professor für „Optisches Systemdesign und Simulation“ an.

Herr Prof. Blahnik, was war Ihre Motivation, sich auf die Professur hier in Jena zu bewerben?

Während meiner Zeit bei ZEISS habe ich schon sehr viele Jahre mit Hochschulen zusammengearbeitet, dabei auch Studierende betreut und Lehrveranstaltungen gehalten. Die Wissensvermittlung an den Nachwuchs, das wissenschaftliche Arbeiten und die Verknüpfung von Theorie und praktischer Arbeit an neuen Produkten haben mir immer sehr viel Spaß gemacht. Die Weiterentwicklung des Grundlagenwissens ist dadurch nie stehen geblieben, und die Qualität der entwickelten Produkte hat davon profitiert. In mehr als zwanzig Berufsjahren sind viele Ideen entstanden, die ich nun im akademischen Bereich vertiefen möchte!

Für Optik und Photonik ist die Region Jena weltweit einzigartig. Von der grundlegenden Technologieentwicklung im Bereich der Freiformflächen, Gradientenindex-Linsen, diffraktiven Optiken oder Meta-Linsen bis hin zu deren Anwendung in der Biophotonik, Laserphysik oder vielen anderen Anwendungen. Ich freue mich sehr darauf, in diesem tollen Umfeld in Jena „Welten zu verbinden“.

Es gibt weltweit nur sehr wenige Universitäten, die eine fundierte Ausbildung in den Grundlagen des Optikdesigns in Verbindung mit der praktischen Anwendung von Optikdesignsoftware anbieten. Der Lehrstuhl meines Vorgängers Prof. Dr. Herbert Gross, der 2012 hier in Jena eingerichtet wurde, hat viele hervorragende Absolventen hervorgebracht, die schnell wichtige Expertenrollen in der Optikindustrie eingenommen haben. Ich selbst konnte dies in meiner Zeit bei ZEISS erleben, als einige seiner Doktoranden meine Kollegen wurden.

Der Lehrstuhl „Optisches Systemdesign und Simulation“ in Jena soll auch in Zukunft ein internationaler Anziehungspunkt für Studierende und Nachwuchswissenschaftler sein, die sich für Optikdesign und die Theorie optischer Systeme begeistern und bei aktuellen Forschungsthemen auf diesem Gebiet weltweit führend sein. Ich bin sehr motiviert, dass die Absolventen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, um zukünftig Schlüsselpositionen in der optischen Industrie und in Forschungsinstituten einnehmen zu können.

In den letzten zwei Jahrzehnten stand für mich die Produktentwicklung im Vordergrund. Die Professur gibt mir die Möglichkeit die vielen gesammelten Erfahrungen weiterzugeben und mich voll auf die Weiterentwicklung der Grundlagen und Methoden zu konzentrieren. Darauf freue ich mich sehr. Deshalb war die Stelle hier in Jena in meinem Fachgebiet ein großer Glücksfall für mich.

Was sind dann also Ihre Pläne hier am Institut bzw. in Jena?

Das Wort „System“ im Namen des Lehrstuhls ist wichtig, weil ein optisches SYSTEM in der Regel komplex ist. Eine gute Abbildung über ein größeres Bildfeld erfordert mit zunehmendem Lichtleitwert sehr viele Komponenten. Viele neue Technologien wie Meta-Linsen, Gradientenindex-Linsen oder gekrümmter Sensoren entfalten ihr Potential oft erst im Zusammenspiel mit anderen Komponenten. Diese Potentiale, aber auch die Grenzen neuer optischer und photonischer Technologien in einem System zu erforschen, sehe ich als eine wichtige Aufgabe des Lehrstuhls. Umgekehrt kann die Theorie auch Impulse für neue Technologieentwicklungen geben. Auch hier hoffe ich auf gute Kooperationen in der Jenaer Forschungslandschaft und darüber hinaus.

Die (numerische) Modellierung und Optimierung optischer Systeme ist immer ein Kompromiss zwischen physikalischer Näherung und praktikablen Rechenzeiten. Komplexe Streulichtsimulationen mit Milliarden von Strahlen, dreidimensionale Bildsimulationen oder die Optimierung von Zoomsystemen mit großer Apertur waren vor wenigen Jahrzehnten noch unmöglich. Alle zehn Jahre gewinnt man etwa einen Faktor 100 an Rechenzeit. Daraus ergibt sich die Aufgabe, Analyse-, Tolerierungs- oder Optimierungsmethoden ständig weiterzuentwickeln und auch mit neuen Möglichkeiten, z.B.  durch KI, zu verknüpfen.

Das „Optik-Design“, der rechnerische Entwurf optischer Systeme, ist an deutschen Universitäten und Hochschulen weit weniger vertreten als die optische Industrie benötigt. Sehr gute Optikdesigner, die komplexe Optikdesigns bewältigen wie hochpräzise Lithographieobjektive oder Zoomobjektive beherrschen, gibt es nur sehr wenige. Allein bei ZEISS arbeiten Hunderte von Entwicklern im Bereich Optisches Systemdesign und Simulation und sind oft Schlüsselpersonen für den Erfolg von Projektentwicklungen. Selbst sehr gute frisch promovierte Physiker oder Mathematiker benötigen meist Jahre, um die speziellen Probleme des Optikdesigns, den Umgang mit Optikprogrammen zur Systemoptimierung oder Streulichtsimulation zu erlernen und selbständig auf die Probleme der Optikunternehmen anwenden zu können. Hinzu kommt, dass in der Industrie die Qualität der notwendigen Ausbildung in den Grundlagen und Programmen des Optikdesign unter dem Zeitdruck des Projektgeschäftes und bei kleineren Betrieben auch am fehlenden Mentoring leidet.

Für mich ist es eine große Motivation, dass aus dieser Forschungsgruppe auch in Zukunft Experten hervorgehen, die über sehr gute Kenntnisse in der Aberrations- und Abbildungstheorie verfügen, verbunden mit praktischen Fertigkeiten in der Optimierung und Tolerierung in Optikdesign-Software verfügen. Doktoranden sollen darüber hinaus ein breites Wissen über moderne Optiktechnologien erwerben. Neben den „handwerklichen Fertigkeiten“, wie man optimiert oder toleriert, ist Optikdesign ein kreativer Prozess. Die methodische Vorgehensweise ist oft nicht geradlinig. Sie erfordert auch die Anwendung verschiedener technologischer Möglichkeiten. Auch die Vorgaben und Randbedingungen sind meist nicht in Stein gemeißelt, sondern müssen für die Lösungskonzepte immer wieder hinterfragt und angepasst werden. Komplexe optische Designprobleme erfordern eine strukturierte Herangehensweise und die Erarbeitung eines ganzen Lösungsraumes. Dies möchte ich in der Fortgeschrittenenausbildung vermitteln, in der auch komplexere Optikdesign-Projekte bearbeitet werden sollen und in der es auch Optical Design Challenges geben soll.

Das Schöne an der Optik ist die Verbindung von Theorie und Praxis. Das wird sowohl an der Abbe School of Photonics als auch den Vertiefungsstudiengängen der Physik hier in Jena gelebt. Ich denke, ich passe hier gut rein. Die Aufgaben bei ZEISS waren spannend, weil wir oft versucht haben neueste technologische Entwicklungen an der Grenze des Machbaren in Produkte umzusetzen. Der Kontakt zum Kunden war eng, um den größtmöglichen Mehrwert für die Anwendungslösung zu finden. Ich erinnere mich zum Beispiel gerne an die Zusammenarbeit mit dem Kameramann Tom Fährmann („Das Wunder von Bern“) bei dem Problem eine variable Weichzeichnung in Filmobjektiven zu implementieren, um bessere Portraitaufnahmen zu ermöglichen.  In enger Zusammenarbeit mit Tom haben wir eine schöne Lösung mit Alvarez-Platten mit Freiformflächen gefunden, die wir sogar in bestehende Objektive einbauen konnten. Ein anderes Beispiel: Zusammen mit Computeranimationsexperten konnten wir das für ZEISS neue Feld der Postprocessing-Software erschließen, indem wir unser Optiksimulationsprogramm mit der Rendering-Software von Trickfilmstudios wie Disney oder Pixar verknüpften, um animierte Filme so darzustellen, als würde man durch ein Filmobjektiv schauen.  Die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut in Karlsruhe an optischen Systemen für Tiefsee-Drohnen, die Verknüpfung von hochaperturigen Lidar-Optiken mit integrierten Photonik-Chips für das autonome Fahren oder die enge Zusammenarbeit in der Lithographie mit Mikrochip-Herstellern sind weitere Beispiele für technologisch anspruchsvolle und anwendungsoptimierte Projekte. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit des Optikdesigns mit anderen Fachgebieten hat mich schon immer begeistert. Dies möchte ich beibehalten, sei es in Forschungsprojekten der Quantenphysik, der Biophotonik, der Astronomie oder in historischen Studien und vielem mehr.

Der Schwerpunkt der Arbeit des Lehrstuhls liegt in der Theorie. Die Theorie ist jedoch eng mit der praktischen geräteoptischen Umsetzung verbunden. Deshalb wird am Lehrstuhl ergänzend ein Optiklabor aufgebaut, das sowohl in der Lehre als auch in der Forschung genutzt werden soll. Es wird mit optischen Standardkomponenten, kommerziellen optischen Systemen, grundlegender Messtechnik zur Komponenten- und Systemqualifikation sowie Vorrichtungen und Werkzeugen zur Montage und Justage optischer Systeme ausgestattet.

Ziel ist es, grundlegende Qualifizierungsmethoden zu erlernen und den Aufbau optischer Systeme mit engen Toleranzen praktisch zu erproben. Für wissenschaftliche Projekte können im Optiklabor optische Systeme unter definierten Laborbedingungen mit optischen Simulationen am Computer verglichen werden. 

Wie ist Ihr erster Eindruck von Jena bzw. Ihrem neuen Arbeitsumfeld?

Ich habe mich sehr auf Jena gefreut und bin bisher nicht enttäuscht worden! Zum einen hat mich Herbert Gross sehr unterstützt, um mich gut auf die Lehre vorzubereiten. Zum anderen fühle ich mich in den tollen Räumlichkeiten des ACP für meine Vorlesungen und Übungen sehr wohl. Einige Studierende interessieren sich sehr für Optikdesign und es macht mir viel Spaß, mit ihnen nach den Vorlesungen und Seminaren noch lange zu diskutieren.

Ansonsten gibt es für mich in Jena noch viel zu entdecken, aber einen Lieblingsplatz zum Frühstücken habe ich schon - das Café Stilbruch mitten in der Stadt!

Vielen Dank für das Gespräch! Wir freuen uns, Sie am IAP zu haben - viel Erfolg und Freude mit Ihren Vorhaben hier bei uns!

Vladan Blahnik, Prof. Dr.
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Lehrstuhl Theorie optischer Systeme
Prof. Dr. Vladan Blahnik
Foto: private
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