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Meldung vom: | Verfasser/in: Ute Schönfelder
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Sie gehören zu den extremsten und komplexesten Ereignissen des Universums: Kollisionen von Neutronensternen. Verschmelzen zwei dieser hochkompakten und massereichen Himmelskörper, wird die Raumzeit enorm verzerrt; die Materie erreicht Dichten und Temperaturen, die in keinem Laborexperiment reproduzierbar sind. Bei der Kollision werden hochenergetische Strahlung und Materie in den Weltraum geschleudert. Sie ist so heftig, dass sie von der Erde aus – selbst über Millionen Lichtjahre hinweg – sowohl als Gravitationswellen als auch als Licht beobachtet werden kann.
„Solche Ereignisse sind einzigartige astrophysikalische Laboratorien“, sagt Prof. Dr. Sebastiano Bernuzzi von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der 40-jährige Forscher und sein Team vom Theoretisch-Physikalischen Institut entwickeln theoretische Modelle, mit denen sich die Dynamik solcher kosmischer Kollisionen nachvollziehen und Beobachtungsdaten erst erklären lassen. Für sein aktuelles Forschungsvorhaben „InspiReM“ wird Sebastiano Bernuzzi vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) mit einem sogenannten „Consolidator Grant“ gefördert und erhält dafür in den kommenden fünf Jahren knapp zwei Millionen Euro.
„Es ist das ambitionierteste Projekt meiner bisherigen wissenschaftlichen Karriere“, sagt Bernuzzi, der 2017 bereits mit einem ERC „Starting Grant“ gefördert wurde. Er fühle sich geehrt, dass sein Projekt nun zu den ausgewählten Vorhaben gehöre, denen der ERC die wichtigste Förderung und zugleich höchstdotierte Auszeichnung der EU für Spitzenforschende vergibt. „Ich bin begeistert und zugleich entschlossen, meine Forschung auf dem höchstmöglichen Level voranzutreiben.“
Mit Hilfe von Einsteins Relativitätstheorie Gravitations- und elektromagnetische Wellen vorhersagen
Bernuzzis Arbeitsgruppe an der Universität Jena gehört schon jetzt zu den führenden auf dem Gebiet der numerischen Simulation von Neutronensternverschmelzungen. Die Forschenden nutzen dafür die größten Supercomputer Deutschlands, etwa am Leibniz Supercomputing Centre (München) und an der HRLS (Stuttgart), um mit Hilfe von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie detaillierte Vorhersagen für Gravitationswellen und elektromagnetische Beobachtungen zu machen, die von solchen Ereignissen ausgehen. „Indem wir simulieren, was mit der Raumzeit während der Verschmelzung der Sterne passiert, können wir detaillierte Modelle für die Interpretation der Strahlung erstellen, die wir beobachten“. Erst kürzlich war Bernuzzi als Teil eines internationalen Teams an der Analyse von Daten beteiligt, die das NASA-Röntgenobservatorium „Chandra“ bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne im Objekt GW170817 aufgenommen hat.
Mit dem Projekt InspiReM („Modeling binary neutron star from inspirals to remnants and their multimessenger emissions”) wollen sich Bernuzzi und sein Team nicht nur auf Gravitationswellen konzentrieren, sondern auch die Überreste vergangener Sternverschmelzungen und die von ihnen ausgehenden Materialausströmungen untersuchen. Die Bedingungen in diesen Ausströmungen sind einzigartig – dort entstehen schwere Elemente, wie Gold oder Uran.
Mit der ERC-Förderung kann Bernuzzi sein Team jetzt mit den besten Forschenden aus der ganzen Welt verstärken. Ein Teil der Gelder soll auch in weitere Hochleistungsrechentechnik für das Universitätsrechenzentrum fließen, ohne die seine komplexen Simulationen nicht möglich wären.