Auf diesem Spaziergang nähern wir uns der historischen Entstehung des heutigen Stadtzentrums, dem ehemaligen Zeiss-Hauptwerk. Einige Beispiele, die die physikhistorische Relevanz dieses Areals verdeutlichen, haben wir in einem anderen Beitrag für Sie aufgearbeitet. Einblicke in die historische Entwicklung des Unternehmens und seiner Gründer erhält man auch auf den Seiten des Unternehmens selbstExterner Link.
Unser Spaziergang startet auf dem Ernst-Abbe-Platz. Nördlich davon, in der Wagnergasse und am Johannisplatz hatte sich Carl Zeiß Werkstätten eingerichtet. Dank der Entwicklung der Mikroskoptheorie durch Ernst Abbe und dem darauf aufbauenden wissenschaftlichen Mikroskopbau bei Zeiss, wurden die Instrumente des Unternehmens zu Verkaufsschlagern. Mit der Errichtung eines ersten Fabrikbaus 1880 am südwestlichen Rand des Ernst-Abbe-Platzes löste man sich schließlich endgütig von einer klassisch handwerklichen Tätigkeit.
Die hohe Nachfrage an Zeiss-Produkten machte eine beständige (räumliche) Expansion des Unternehmens notwendig. So zogen sich die Fabrikbauten durch die anliegenden privaten und städtischen Grundstücke bis sie um 1900 die Krautgasse erreichten. Wir folgen dieser Bewegung Richtung Norden und wenden uns, sobald wir auf der Krautgasse angekommen sind, nach links.
Die Ecke Krautgasse/Carl-Zeiss-Straße bilden Bau 6 und Bau 7 (die Zahlen beziehen sich auf die ungefähren Erbauungsjahre; hier also 1906 und 1907). Die ersten Stahlbetonskelettbauten auf dem Werksgelände werden heute von der Friedrich-Schiller-Universität genutzt. Folgt man der Krautgasse bis zum Carl-Zeiss-Platz, steht man direkt vor Bau 36, ehemaliges Verwaltungshochhaus und heute Sitz der Jenoptik. Die Ecke von Bau 12, direkt gegenüber, ist mittlerweile in die Goethegalerie und ein Hotel integriert.
Von hier aus hat man die Wahl. Entweder man nimmt die Abkürzung durch die Goethegalerie, deren nördlicher Rand mit von Bau 10 und Bau 13 gebildet wird. Oder man begiebt sich auf den längeren Weg entlang des Carl-Zeiss-Platzes, biegt links in die Ernst-Abbe-Straße ein und schließlich erneut links in die Schillerstraße.
Auf dem längeren Weg hat man die Möglichkeit, das Ernst-Abbe-Denkmal auf dem Carl-Zeiss-Platz zu besuchen. Man sieht das mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung errichtete Volkshaus (Carl-Zeiss-Platz 15) und auch das anliegende Deutsche Optische Museum (Carl-Zeiss-Platz 12). Sobald dieses seine Pforten öffnet (geplant: 2024), wird es auf jeden Fall einen Besuch wert sein. Der längere Weg verdeutlicht auch die Ausmaße des ehemaligen Werks. Ab 1900 setzte die Bebauung südlich der Goethestraße (heutige Goethegalerie) ein und der Weg führt entlang der Grenze des ehemaligen Werks.
So oder so findet man sich am östlichen Ende der Goethegalerie wieder. Mit Blick Richtung Teichgraben findet man rechter Hand den vom Bauhaus-Schüler Emil Fahrenkamp entworfenen Bau 29, heute auch in die Goethegalerie integriert.
Wenden wir uns Richtung Norden und biegen bei der ersten Möglichkeit wieder in den Ernst-Abbe-Platz (man beachte die Tramschienen), gehen wir zwischen Bau 13 und Bau 15 hindurch. Letzterer gilt (je nach Definition) als erstes Hochhaus Deutschlands. Im Vorgebäude zu Bau 13 (Bau 13a, heute nicht mehr vorhanden) entstand 1955 der erste Großrechner der DDR, die OPREMA.
Auf dem Bau 10 (südliche Seite des Platzes) sieht man immer noch ein Observatorium: die Tradition einer Werkssternwarte wurde bereits von Ernst Abbe initiiert. Den größten baulichen Einschnitt der Nachkriegszeit, der noch vom Unternehmen selbst vorgenommen wurde, stellt sicherlich der Bau 59 das "Forschungshochhaus" an der Nordwestecke des Platzes dar.
Mit diesem beachtlichen Areal prägt das Unternehmen Zeiss noch immer den innerstädtischen Raum Jenas. Glücklicherweise ließen sich Teile der historischen Architektur bei der Umwandlung vom Sitz des Unternehemens hin zu einem modernen Stadtzentrum mit Universitätscampus, Büro- und Gewerbeflächen sowie einer Shoppingmeile erhalten. Anbei sei noch bemerkt, dass der Jentower auf dem Eichplatz für das Unternehmen geplant war, aber nach Fertigstellung von der Universität genutzt wurde: seine Architektur soll an ein Fernrohr erinnern.
Zu guter Letzt sei noch auf ein Projekt hingewiesen, dass das historische Zeiss-Werk im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen führt: Aufgabe des Modellathons 2020 war es, den Zustand des Hauptwerks vor dem ersten Weltkrieg digital nachzustellen. Die Webseite mit der Beschreibung der Ergebnisse finden Sie hierExterner Link.