Die Erdbebenstation
Im Jahr 1897 fand in Jena der »Deutsche Geographentag« statt, in dessen Verlauf der Geograph und Geophysiker Georg Gerland (1833-1919) den Vorschlag unterbreitete, an der Jenaer Universität mögen doch auch seismische Messungen vorgenommen werden. Diesen Gedanken griff der Kurator der Jenaer Universität, Heinrich von Eggeling (1838-1911), ein Cousin Gerlands, auf: »Ich werde bemüht sein, auch in Jena eine Erdbebenstation ins Leben zu rufen.« So entstand eine »Seismische Station«, die in Kellerräumen des 1885 errichteten Physikalischen Instituts in der Neugasse 24 untergebracht war. Die Leitung übernahm Rudolf Straubel, der in den Jahren zuvor schon - als erster in Jena - geophysikalische Vorlesungen gehalten hatte.
Rudolf Straubel referierte auf der Ersten Internationalen seismologischen Conferenz in Straßburg über »Beleuchtungseinrichtungen und Beleuchtungsprinzipien bei photographischer Registrierung«. Dabei stellte er die später nach ihm benannte Straubel-Lampe vor.
Empfindliche physikalische Messungen waren im Institutsgebäude an der Neugasse wegen der »Vorbeiführung der electrischen Straßenbahn an der physikalischen Anstalt« und der nahegelegenen Saalbahn um das Jahr 1900 nicht mehr möglich, und so wurde im Jahre 1902 ein Neubau für das Physikalische Institut am Helmholtzweg 5 bezogen. Damit waren aber auch die seismischen Registrierungen unterbrochen.
Rudolf Straubel erreichte, daß im Jahre 1903 ein Erweiterungsbau am östlichen Meridianhaus der benachbarten Sternwarte für die seismische Station errichtet wurde, finanziert durch die Carl-Zeiss-Stiftung. Der Straubel-Anbau war Anfang des Jahres 1904 beziehbar. Die seismischen Instrumente wurden in einem zehn Meter tiefen, südlich der Sternwarte gelegenen Schacht untergebracht.
Schon 1900 beschäftigte sich Straubel mit Versuchen für ein vertikales Blattfeder-Seismometer mit optischer Registrierung und mit einer Vergrößerung der Bodenbewegung, die das 10 bis 40fache der Vergrößerung der optischen Horizontalpendel erreichte. Das Straubelsche Vertikalseismometer, von dem es 1901 schon ein Versuchsmuster gab, wurde 1906 von Otto Eppenstein (1876-1942) in die endgültige konstruktive Form gebracht und auch 1908 beschrieben.
Auf der Basis seiner Vorlesungen am Californian Institute of Technology hat Charles Richter (1900-1985) ein Lehrbuch verfaßt, das als »Elementary Seismology« im Jahre 1958 erschienen ist. Im Kapitel 15 über Theorie und Praxis der Seismografen schildert er, daß die Vertikalseismometer oftmals die Kinderkrankheiten an den Stationen bilden. Eine Ausnahme mache hier allein ein außergewöhnliches Instrument mit 2000facher Anzeigevergrößerung: das von Eppenstein verbesserte Straubelsche Vertikalseismometer, welches 1908 beschrieben worden ist. Richter würdigte die ihrer Zeit weit vorauseilenden Überlegungen Rudolf Straubels zur Konstruktion des Geräts: »Seine Leistung war seiner Zeit weit voraus, und seine Registrierungen wurden noch Jahre später nicht richtig gewürdigt.« Charles Richter erläuterte in seinem Lehrbuch auch die von ihm entwickelte und später nach ihm benannte heute allgemein gebräuchliche »Richter-Skala« für die Bewertung der Stärke von Erdbeben.
Rudolf Straubel blieb bis 1919 Leiter der Seismologischen Station im Schillergäßchen.
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Erweiterungsanbau an die Sternwarte Jena für die seismische Station (1904)Foto: Archiv Hermann Knopf Kaarst
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Projektzeichnung der seismischen Station an der Sternwarte JenaFoto: Astronomische Sammlung des Astrophysikalischen Instituts und der Universitäts-Sternwarte Jenat
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Vertikalseismometer der seismischen Station zu JenaFoto: Straubel, Eppenstein: Das Vertikalseismometer der seismischen Station zu Jena. Beiträge zur Geophysik 2 (1908), 593-604
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Otto Eppenstein - Mitarbeiter der seismischen StationFoto: ZEISS Archiv
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Walter Pechau - Mitarbeiter der seismischen StationFoto: Archiv Hermann Knopf, Kaarst